„Wie, da leben Fische drin?“ „Forellen? Das hätt‘ ich jetzt nicht gedacht!“ „Ist das Wasser überhaupt sauber?“
Diese oder ähnliche Sätze hat wahrscheinlich jeder Angler schon einmal gehört, der beim Rutenschwingen von interessierten Spaziergängern angesprochen wurde. Umweltverschmutzung scheint in den Köpfen unterschwellig eine der ersten Assoziationen zu sein, wenn an heimische Flüsse und Bäche gedacht wird. Doch wie ist der Zustand unserer Fließgewässer tatsächlich? Wie geht es beispielsweise dem Bach von nebenan? Dieser Frage widmet sich das Citizen-Science-Projekt FLOW vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig. Citizen-Science, das heißt: Leute wie du und ich können dabei mitmachen. Das Ganze geschieht in Form von systematischen Gewässermonitorings. An zwei Terminen waren auch wir vom Saaletreff dieses Jahr dabei. Im Folgenden lest ihr unsere Eindrücke vom jeweiligen Monitoring aus der Teilnehmer-Perspektive.
FLOW-Monitoring am Sulzbach bei Kapellendorf
5:22 Uhr krähte der Hahn. Es war Sonntag der 25.04.2021 und meine Püppi und ich wollten an diesem Tag als Forscher aktiv sein. Also raus aus den Federn und rein in die Klamotten, um den Hund zumindest vor dem Frühstück etwas durch die Felder zu treiben und eventuell ein paar Tiere beobachten zu können. Nach dem Familienfrühstück sind wir kurz vor 9 Uhr zum vereinbarten Treffpunkt losgelaufen. Ganz gemütlich ging es von Sulzbach über Oberndorf in Richtung Kapellendorf. Ganz ihre Art, hatte meine Tochter fast die ganze Zeit jede Menge zu erzählen. Sie machte Pläne, was sie an diesem Tag alles erleben wollte. Kurz hinter Oberndorf sah ich dann einen Vogel, der nicht so richtig ins Bild passte. Vorsichtig näherten wir uns und erkannten schnell, dass es sich um einen Fasanenhahn handelte, welcher da über das Feld stolzierte. Ein paar Bilder mit dem Handy gemacht und weiter ging es. Am Treffpunkt angekommen, wurden wir herzlich von Julia von Gönner und ihrem Team begrüßt. Unsere Hilfe, die wir für den Aufbau anboten, wurde dankend abgelehnt, da sie ihre festen Strukturen und Abläufe haben. Also schauten wir uns schon mal neugierig das Testobjekt an. Zweifel kamen in mir hoch, ob sich tatsächlich Leben finden würde. Schließlich wird zumindest eine Seite des Baches bis fast an das Ufer intensiv landwirtschaftlich genutzt.
Kurz nach uns kamen die restlichen Teilnehmer der wissenschaftlen Studie an. Ein paar mit dem Auto und vier hatten sich aufs Fahrrad gesetzt und sind den Weg von Jena emissionsfrei angereist. Jetzt noch die Coronatests gemacht, die glücklicherweise alle negativ ausfielen, dann konnte es losgehen. Unsere Einweisung hatten wir ja am Vorabend in einem Onlinemeeting, welches echt interessant und kurzweilig gestaltet war. Gruppen wurden gebildet, um die Gewässerstruktur zu beurteilen, die Schadstoffbelastung und Sauerstoffsättigung zu messen und Proben vom Grund zu entnehmen. Ich kann euch sagen, die Beurteilung der Gewässerstruktur ist nicht ganz ohne. Selbst mit den zur Verfügung gestellten Hilfsmitteln hatten Kevin, meine Püppi und ich viele Fragezeichen über unseren Köpfen. Aber ich denke, wir haben es ganz gut gemeistert und dabei noch jede Menge gelernt.
Das Ergebnis: Der Sulzbach ist relativ naturbelassen, hat einiges an Totholz, langsam fließendes Wasser und zwei, drei „Stromschnellen“. Eine Seite ist mit Bäumen gesäumt, während die andere fast direkt an einem Rapsfeld liegt. Die Untersuchung der Wasserqualität ergab, dass zu viele Nährstoffe im Bach zu finden sind. Dies zeigte sich dann auch bei den Tierchen. Die, die anzeigen, dass ein Gewässer in Ordnung ist, wurden nicht nachgewiesen. Alles habe ich leider nicht verstanden, was bei der Auswertung gesagt wurde. Aber ich wusste schon vorher, dass die Eingriffe durch den Menschen und insbesondere die Landwirtschaft in direkter Nähe bedingen, dass es diesem unscheinbaren Bach nicht besonders gut geht.
Den Tag haben meine Püppi und ich dann auf dem Heimweg durch die Felder noch einmal Revue passieren lassen und gemeinsam festgestellt, dass es sehr kurzweilig und interessant war. „Papi, das müssen wir unbedingt wieder machen!“
FLOW-Monitoring an der Leutra in Leutra
Nun, so vorbildlich früh wie Schachti und seine Püppi bin ich am Tag des Leutra-Monitorings nicht aufgestanden. Aber auch ich habe FLOW als Anlass dafür genutzt, die Jugend ins Grüne zu entführen. Mit Töchterlein im Gepäck ging es am 29.06. kurz nach neun auf zum Ort Leutra und dem gleichnamigen Bach. Nach nur zweimal Verfahren und einer guten Portion Schlamm auf dem Autolack rollten wir schließlich dem auf der Wiese geparkten FLOW-Mobil entgegen. Das Wetter war angenehm, die Anwesenden gut gelaunt, es konnte losgehen! Von den zu wählenden drei Gruppen Gewässerstruktur, chemische Untersuchung und Makrozoobenthos hatte letzteres direkt etwas mit Tieren zu tun und klang deshalb am spannendsten fürs Kind. Die Entscheidung fiel entsprechend schnell.
Unsere Aufgabe war es, zunächst die Gewässersohle des Abschnitts zu beurteilen. Wieviel Prozent des Grunds bestehen aus feinem Kies, wieviel gröberes Gestein gibt es, wieviel Pflanzen- oder Algenbewuchs ist vorhanden? Nach dieser Einschätzung richtete sich die Beprobung der jeweiligen Stellen. Hierfür bewegten wir uns mit Wathose gerüstet bachaufwärts. Die Proben wurden mittels “Kick Sampling” genommen. Das funktionierte so: Pro Stelle scharrte man zehnmal mit den Stiefeln im Bachbett und fing alles, was aufgewirbelt wurde, mit einem Kescher auf. An den gröber beschaffenen Stellen durften die Steine in bester Fliegenfischer-Manier auch manuell umgedreht werden. So landeten Köcherfliegenlarven, Bachflohkrebse und andere Wirbellose teilweise handverlesen im Kescher und von dort in unseren Sammeleimer. Alles, was wir auf unserem Probeabschnitt eingesammelt hatten, wurde schließlich gesiebt. Jetzt staunten wir, denn hier offenbarte sich das große Krabbeln! Die Tiere wurden in spezielle Schalen umsortiert, um anschließend ganz genau bestimmt werden zu können. Hierfür standen Mikroskope und Fachliteratur bereit. Das war mitunter gar nicht so einfach! Da war es gut, dass es zur Stärkung für die Forschenden mittags Räucherforellen aus dem Bruthaus vom Angelverein Jena-Süd gab.
Und das Ergebnis? Die Struktur der Leutra ist am Probeabschnitt, wo der Verlauf recht geradlinig ist, als befriedigend bis gut einzuschätzen. Bei der chemischen Qualität konnten Sauerstoffgehalt und pH-Wert mit guten Zahlen punkten. Lediglich die elektrische Leitfähigkeit (wahrscheinlich aufgrund natürlicher Gegebenheiten: Karbonat, Sulfat) wies auf einen erhöhten Mineralgehalt hin. Auch die gefundenen tierischen Organismen rundeten das Bild von einem Gewässer in einem insgesamt guten Zustand ab. Das sind doch schöne Nachrichten für die Leutra!
Im Detail können die Ergebnisse der Monitorings übrigens hier nachgeschaut werden.
Wir danken dem FLOW-Team für die gelungene, sympathische Durchführung der beiden Veranstaltungen! Es war sehr lehrreich und hat uns allen viel Spaß gemacht. Vielen Dank auch an alle Teilnehmenden und Unterstützenden!
Auf bald
Schachti und Hannes
Ein Gedanke zu „reView: FLOW 2021“