Dänische Ostsee im August: die Kunst, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein

Ja, Sommerzeit ist bei uns tüchtigen Deutschen bekanntermaßen Urlaubszeit. Wenn der Hohe Rat der Familie dann auch noch beschließt, dass es ans Wasser gehen soll, zaubert das mit Sicherheit ein diebisches Grinsen in jedes Petrijünger-Gesicht. Sofort werden die Angelmöglichkeiten für das Zielgebiet ausgelotet. Im Falle von Dänemark ist die Angelegenheit klar: Für verhältnismäßig wenig Geld kann man hier sehr viel angeln. Um im Meer mit der Rute zu fischen, braucht es theoretisch keine Prüfung und keinen Fischereischein wie bei uns, sondern lediglich den staatlichen dänischen Angelschein (fisketegn), der vom Prinzip her mit unseren Erlaubnisscheinen vergleichbar ist. Für eine Woche bekommt man ihn für umgerechnet ca. 17 Euro, ein Jahr kostet ca. 25 Euro. Beachtet man nun noch die örtlichen Vorgaben, die Schonzeiten und -maße sowie die Schonbezirke (fredningsbælter), steht der Fischerei eigentlich nichts mehr im Wege. Höchstens das Wetter.

Für eine Woche war ich mit der Spinnrute im gelobten Land der Küstenangelei. Und um es kurz zu machen: Die Ausbeute fiel leider mau aus. Sicher nicht nur, weil die Wassertemperatur recht hoch war. Wir hatten in der Nähe von Sønderborg unser Häuschen, sodass der nächste mir bekannte gute (Sommer-)Spot leider eine halbe Stunde Fahrt entfernt lag. Das Ganze ist eben kein Angelurlaub gewesen, auch wenn die Ausrüstung immer im Kofferraum bereit lag. Spektakuläre Fangerfolge gibt es in diesem Bericht leider nicht, ganz im Gegenteil. Es geht eher darum, ein paar Eindrücke für Leute zu teilen, die sich für das Thema Dänemark interessieren.

Was war Zielfisch? Alles, was mit der Spinnrute geht! Dorsch ist im Hochsommer von der Küste aus eher schlecht an die Leine zu bekommen. Die großen Heringsschwärme finden im Frühjahr statt und der Hornhecht hat seine Primetime im Mai. Die Meeräsche ist ein Sommerfisch, interessiert sich aber nicht für Spinnköder. Makrele kann gut laufen. Plattfisch auch, also empfiehlt es sich für Spinnangler, einige Buttlöffel im Gepäck zu haben. Und was ist mit der Königin der Küste, der Meerforelle? Die beste Mefo-Zeit ist im Frühjahr, dicht gefolgt vom Herbst. Einige Küstenangler schwören auf den Sommer, hier verlagert sich die Fischerei jedoch in die Abend-, Nacht- und Morgenstunden, denn tagsüber weilt das „Ostseesilber“ in tieferen und kälteren Gefilden. Mit anderen Worten: Die Sommer-Mefos sind theoretisch familienurlaubstauglich. Tagsüber Sonne, Strand, Kultur – und sobald es dunkel wird, bekommt die Spinnrute Meeresluft und Salzwasser zu spüren!

Köderzusammenstellung vom Typ “Hauptsache etwas fangen, egal was”: Küstenblinker, Buttlöffel, Heringspaternoster, Küstenwobbler.

Ein Meer voller Möglichkeiten, da muss doch ordentlich was gehen, selbst dann, wenn man nur begrenzt Zeit zum Angeln hat, oder? Nun, so einfach ist es nicht. Zumindest ohne Guide, Boot und Hilfe von Ortskundigen nicht. Zunächst einmal steht Recherche an. Wo sind die nächstgelegenen guten Plätze, von denen im Netz berichtet wird, die dazu auch noch sommertauglich sind? Wie sieht das Ganze, also der Meeresboden, bei Google-Maps aus? Gibt es Strömung und tiefere Bereiche in Wurfweite? Wie ist die Wassertemperatur? Was macht der Wind aktuell? Wie sieht das Wetter kurzfristig aus? Denn selbst die Vorhersagen für den nächsten Tag werden vom realen Wetter oft wild durcheinander gewürfelt, so schien es mir. Eine Frage lässt sich als Urlauber eigentlich erst am Spot beantworten: Wenn sonst alles passt, macht einem der saisonale Wasserpflanzenbewuchs das Anglerleben schwer? Und die letzte Frage lautet natürlich: Sind heute bzw. jetzt überhaupt Fische da? Wenn man rein intuitiv vorgeht, wird man als Küstenangler sicher schlechte Karten haben.

Der Hafen von Sønderborg ist seit einiger Zeit für Angler gesperrt. Die dortigen verheißungsvollen tieferen Bereiche fielen also weg. Ein Trip an die Außenküste der Insel Als – wohl ein gutes Meerforellenrevier, auch im Sommer – blieb ebenso erfolglos. Die glitschigen Steine am Ufer und im Wasser sind hier nachts natürlich eine noch größere Herausforderung als tagsüber. Nächster Abend: Kegnæs! Die Halbinsel ist mit ihrer Süd- und Westküste auch im Sommer forellentauglich. Bei auf über 25 km/h anschwellenden Wind machte das Revier an diesem Abend viel Eindruck mit hohen Wellen, aber das Nachtangeln war unter derartigen Bedingungen sinnfrei. Generell machte der rege Wetterwechsel die Planung schwierig. Von Ententeichwetter bis hin zu stürmischer See war in dieser Woche alles dabei und nur wenige Stunden lagen mitunter zwischen den Extremen. Den nächsten Tag ergab sich auf Fünen (Fünen! Hier befinden sich einige der wohl besten Meerforellenreviere!) ein Zeitfenster von immerhin gut zwei Stunden, um abends einige Würfe zu machen. Zumindest einen Nachläufer auf Küstenwobbler hatte ich hier und in den folgenden Stunden war an diesem Spot sicher noch einiges los im Wasser.

Wäre die dänische Kulisse nicht so herrlich, hätte man bis hierhin von einem ernüchternden Zwischenstand sprechen können. Die Küstenangelei mit der Mefo-Rute ist aber eine Sache, die auch ohne Fisch bei Laune hält. Es fetzt einfach, die schlanken Köder Richtung Horizont zu feuern. Außerdem fasziniert die Ostsee nachts mit biolumineszenten Algen. Jeder Schritt im Wasser wird von einem Wirbel mit glitzernden Lichtern begleitet und auch die umgebenden Steine funkeln, wenn das Wasser sie mit der nächsten Welle umspült. Gespenstisch schön!

Am vorletzten Abend war noch einmal Kegnæs angesagt, weil der Spot zum aktuellen Wetter zu passen schien. Und tatsächlich, vor Ort herrschten ideale Bedingungen: guter Wellengang, aber nicht so viel, dass Fisch und Angler schwindelig wird. Es hatten sich bereits einige Angler am Südzipfel der Halbinsel (also direkt unter dem hiesigen Leuchtturm) eingefunden und das war verheißungsvoll. Sobald ich die Kolleg*innen hinter mir gelassen hatte, ging es ein paar Meter hinein in die Wellen, um nicht durch die Wasserpflanzen hindurch angeln zu müssen. Nach einigen Würfen dann endlich die Erlösung: Zum ersten Mal ging in dieser Woche nach einem Kontakt spürbare Gegenwehr durch die Rute. Fish on! Oder doch nicht? Das, was nach einem kurzen Kampf an der Wasseroberfläche sichtbar wurde, war ziemlich schmal. Also nur ein weiterer Meter Wasserpflanzen, den ich zu meiner bisherigen Ausbeute hinzuaddieren durfte? Nein, es war das Maul eines Hornhechts, das da aus dem Wasser schaute. Nicht schlecht für diese Jahreszeit! Gebissen hatte er auf einen Küstenblinker. Hornhechte lieben Sonnenschein und dieses Exemplar hatte bei den letzten Sonnenstrahlen des Abends zugeschlagen. Ich hätte eher am Spot sein müssen! Denn auch wenn jetzt die Mefo-Zeit losging, es tat sich nichts mehr. Mein schwarzer Küstenwobbler (schwarz, damit sich der Köder besser vor dem immer etwas helleren Nachthimmel abzeichnet) konnte auch diesmal nicht punkten, verlor dafür aber an den Steinen die Hälfte seiner Farbe. Die Kulisse entschädigte jedoch abermals: Ein Leuchtturm am Ufer gegenüber, links der Mars am Nachthimmel, oben der Mond und im Wasser glitzerte es magisch bei jeder Bewegung.

Am nächsten Tag war es wieder bis in den Abend hinein stürmisch mit um die 25 km/h Wind. „Welle bringt Forelle“ sagt man an der Küste (das macht 1 Euro für die Phrasendose), aber das ist zu viel fürs Angeln im Dunkeln, auch wenn ich mich gerne eines Besseren belehren lasse. Ohnehin hätte es keine Gelegenheit mehr gegeben, den gefangenen Fisch zu verwerten, denn am nächsten Morgen stand die Rückreise an und von vorsätzlichem Catch & Release (bei den Dänen übrigens ausdrücklich gerne gesehen) bin ich kein Fan. Es sollte so sein, der Sieger war diesmal „der Fisch der 1000 Würfe“ (nochmal 1 Euro in die Dose), auch wenn er den Ring gar nicht erst betreten hatte. Vielleicht waren es am Ende der Woche nur 957 Würfe gewesen, mitgezählt habe ich nicht. Etwas klüger hat das Ganze aber trotzdem gemacht. Auf eine baldige Rückkehr, dann klingelt es bestimmt gleich beim 43. Wurf!

Bis zum nächsten Mal!

H.

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