Äschen-Trip mit goldener Überraschung

Wer in der kalten Jahreszeit in den heimischen Fließgewässern mit der Fliege angelt, der wird sich wahrscheinlich für eine Fischart ganz besonders begeistern. Die Äsche ist unsere “Königin des Winters”. Früher eine häufig anzutreffende Art, ist sie heutzutage in der Saale leider extrem selten geworden. Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig und werden mitunter rege diskutiert. Im Fokus der Debatten steht zumeist ein erhöhter Kormoranbestand. Für die Vögel ist die Äsche eine leichte Beute, da sie nur ein gering ausgeprägtes Fluchtverhalten hat. Immerhin ließen sich in Thüringens kleineren, durch Baumbewuchs besser geschützten Salmonidengewässern teilweise Fischbestände erhalten, die eine (stark limitierte) Angelei auf die „Fahnenträgerinnen“ nach wie vor möglich machen. Und genau an ein solches Gewässer hatte es mich zur Wintersonnenwende 2020 verschlagen.

Wem bei diesem Anblick das Herz nicht höher schlägt – nun, der ist wahrscheinlich kein Fliegenfischer.

Der kürzeste Tag des Jahres und dazu die ganze Woche Regen vorhergesagt: Mein erster Angeltrip nach viel zu langer Abstinenz stand nicht unter den günstigsten Vorzeichen. Gegen die rasch einbrechende Dunkelheit hilft es, nicht allzu spät am Wasser zu sein. Und beim Wetter? Da hilft manchmal auch eine Prise Glück. Zumindest diesmal hatte der Wettergott die geplanten Regenschauer kurzfristig verschoben und ließ es den ganzen Tag nur leicht bewölkt und streckenweise sogar richtig sonnig sein. Entsprechend milde fühlte sich die Lufttemperatur von etwa vier Grad über Null an. Mit diversen Kleidungsschichten und Neoprensocken unter der zwei Nummern zu großen Wathose ließ es sich im Wasser ganz gut aushalten.

Gerät und Taktik an diesem Tag? Eigentlich bin ich ein bekennender Fan der Angelei mit der Trockenfliege und fische diese, wann immer es Sinn macht. Im Winter hat man damit aber sicher nicht die allerbesten Karten. Stattdessen habe ich diesmal meine neueste Errungenschaft mit ans Wasser genommen: Tenkara-Nassfliegen, gebunden von Eberhard Scheibe. Die funktionieren auch an der “normalen” Fliegenrute mit Rolle sehr gut. Ich habe sie meistens schräg stromab gefischt, also langsam quer durchs Wasser treiben lassen. So lässt sich Stück für Stück ein großer Bereich des Gewässers abdecken.

Eine Nassfliege vom Typ „Mendori Sakasa“. Kennzeichnend sind die nach vorne zeigenden Hecheln. Natürlich ohne Widerhaken. Vielen Dank dafür an Eberhard Scheibe!

Der Fluss macht heute beinahe einen verschlafenen Eindruck. Aktivität im Wasser ist zunächst nicht zu erkennen. Die erste Attacke kommt aber schon nach wenigen Minuten und zwar so überraschend, dass ich mich zugegebenermaßen ziemlich erschrecke. Ein lautes „Plopp!“ an der Wasseroberfläche, ein kurzer Ruck in der Rute – der erste flüchtige Gruß aus der Unterwasserwelt. Der Fluss lebt!

Ein weiter Wurf in den vor mir liegenden Bereich mit tieferem Wasser bringt schließlich auch den ersten verwandelbaren Biss. Ein kurzer Drill lässt eine quirlige, etwa 25 cm lange Äsche im Kescher landen. Was für ein schönes Tier! Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert von dieser unvergleichlichen Eleganz. Begleitet wird das Geschehen von dem lauten Geschimpfe eines Eichelhähers in den Baumwipfeln über mir. Ja, ich beeile mich doch schon! Rasch ein paar Erinnerungsfotos von der kleinen Fahnenträgerin gemacht und wieder ab in die Freiheit mit ihr!

Während ich mich nach dem ersten Fang des Tages noch sortiere, sehe ich zwei oder drei Rutenlängen neben mir einen Fisch steigen. Die anfängliche Stille war trügerisch, denn das Gewässer ist hellwach! Trotzdem passiert auf den nächsten Metern nichts am anderen Ende der Angel. Dann geht es zunächst nicht mehr weiter, denn es folgt ein Abschnitt mit bis zur Brust reichendem Wasser. Das muss bei diesen Temperaturen nicht sein! Gerade will ich aus dem Fluss steigen, um die mir zu tiefe Stelle zu umgehen und sie gegebenenfalls vom Ufer zu befischen, da zieht ein oranger Fleck im Wasser meine Aufmerksamkeit auf sich. Ach, nur ein großer Ziegelstein. Der sich aber eben bewegt hat, oder? Einige Sekunden der Ungewissheit vergehen. Waren es nur die Wellen auf dem Wasser, die eine Illusion erzeugt haben? Nein, jetzt bewegt sich der Fleck eindeutig quer zur Strömung! Das ist ein Fisch und ein ziemlich großer noch dazu! Hat da jemand eine Goldforelle ausgesetzt? Egal, was das ist, es ist auf jeden Fall ein Flossenträger, der eigentlich nicht in dieses Gewässer gehört. Oder ist die Farbe nur eine optische Täuschung? Dann meine ich zu erahnen, wie sich der Fisch mit nach unten gerichtetem Maul über den Gewässergrund treiben lässt. Er gründelt. Ein Karpfen? Ich will es herausfinden.

Das Problem: In der nächsten halben Stunde würdigt das Tier keinen meiner Versuche mit ernsthaftem Interesse. Meine Nassfliege und meine Nymphen verfolgt es allenfalls für wenige Sekunden, nur um abzudrehen, weiter seelenruhig unter seinem Baum umherzuziehen und dabei gelegentlich sogar bis auf wenige Meter an mich heranzuschwimmen. Von Minute zu Minute dringt mehr Kälte durch meine Hosenschichten. Schließlich entscheide ich mich, aufzugeben. Eine laufende Nase ist ähnlich wie schrumpelige Finger in der Badewanne: ein Zeichen dafür, dass es höchste Zeit wird, aus dem Wasser zu steigen!

Also weiter mit dem ursprünglichen Plan und die tiefe Stelle umgehen, aber nicht ohne das Geheimnis mit dem Blick von oben aufs Wasser zu lüften. Da, unter dem Baum zieht das Tier weiter seine Kreise! Seine Körperform ist tatsächlich spindelförmig und erinnert auch aus besserem Blickwinkel an eine ziemlich kapitale Forelle. Als der Fisch völlig unerschrocken – fast möchte man sagen: zahm – an meine Uferseite herangeschwommen kommt, sieht man jedoch, dass die Fettflosse fehlt. Auch der Kopf ist zu sehr abgeflacht. Später erfahre ich, dass es sich um eine Goldorfe handelte. Da sind wohl jemandem seine Teichfische zu groß geworden? Den Anblick von Menschen scheint das Goldstück auf jeden Fall gewohnt zu sein. Ich für meinen Teil gönne dem Tier seinen Ruhestand in Freiheit. Wie groß der von einem einzelnen Exemplar ausgehende Schaden für das Gewässer ist, müssen andere entscheiden.

Der Blick durch die Pol-Brille macht das Ansprechen von Fischen zwar einfacher, aber nicht immer leicht…

Höchste Zeit, sich wieder dem ursprünglichen Zielfisch zu widmen, denn dieses ungeplante Manöver hat bereits zu viel Tageslicht gekostet. Die rauschigen Bereiche des Gewässers vernachlässige ich in Anbetracht der fortgeschrittenen Uhr und konzentriere mich stattdessen auf die etwas beruhigteren Abschnitte, die mehr nach Äsche „riechen“. Ich nähere mich dabei allmählich einer Brücke, was bedeutet: Angeln mit Publikum. Nun, damit muss man leben können. Zack, ein kleiner silberner Blitz stürzt auf die dargebotene Nassfliege, aber bleibt nicht hängen. Besser so! Einige Würfe später dann ein vergleichsweise kräftiger Einschlag. Nach einem kurzen Kampf liegt eine „am Anfang ihrer Dreißiger“ stehende Äsche im Kescher. Der größte Fang des Tages, aber immer noch untermaßig. Den widerhakenlosen Schonhaken schüttelt sich auch dieses Exemplar beim Keschern selbstständig ab, sodass es innerhalb weniger Sekunden wieder schwimmt. Ich bin fasziniert von diesen tollen Fischen – und das Rentnerpaar auf der Brücke auch.

Die edelsten Fische unserer heimischen Gewässer?

Ein kurzer, aber aufregender Angeltag ist bald darauf zu Ende – ich bin happy und hoffentlich wieder ein kleines Stück klüger geworden. Beim Aussteigen aus dem Gewässer ist nach wie vor die Stelle zu sehen, an der meine heutige Expedition ins Äschenland vier Stunden zuvor begonnen hat. Die Fliegenfischerei im Winter ist eben noch langsamer und bedächtiger als das Angeln zur warmen Jahreszeit.

Bis zum nächsten Mal!

H.

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