Fliegenfischen ohne Rolle – eine ursprüngliche Methode? Ist das cool? Darf man das? Dreimal JA! Um es vorwegzunehmen: Ohne Rolle zu fischen, ist nicht jedermanns Sache. Ich selbst habe viele Kämpfe mit mir ausgefochten. Die Hilfe der Fischereibehörde, welche mir bestätigte, dass ich auch in diesem Fall Fliegenfischen betreibe, hat mich wieder zurück auf meinen selbst gewählten schweren Weg geführt. Meine ersten Tenkara-Versuche waren der pure Wahnsinn. Nichts ging! Warum? Ich hatte einige Probleme zu lösen und mein Fliegenfischer-Ego zu überwinden.
Das Ego war riesig und sprach:
“Hey, es gefällt mir, so weit zu werfen!” (Das hatte schon fast Suchtcharakter)
“Ich brauche eine schnellere Rute…”
“Dort am anderen Ufer steigt ein Fisch, den muss ich mal anwerfen…”
Auf diese Weise habe ich:
1. unendlich viele Bisse verpasst, weil ich sie gar nicht bemerkte
2. die Fische im Nahbereich in Massen verscheucht und verschreckt
3. durch die zu große Distanz mir selbst die Möglichkeit genommen, meine Fliege korrekt zu führen
4. vorsichtige Bisse nicht rechtzeitig erkannt und konnte deshalb nicht schnell genug reagieren
Das alles habe ich als “normaler Fliegenfischer” nicht bedacht und nicht einmal bemerkt. Tenkara brachte mir den Minimalismus. Daraus ergeben sich Limits, Regeln und Selbstdisziplin. Auch wenn ich gern über Minimalismus nachgedacht habe, fiel es mir schwer, auf vieles zu verzichten. Ich habe mich früher nie ans Wasser gestellt, ohne zwei bis drei Fliegenboxen sowie einige Vorfächer und Tippet-Spulen, um auf möglichst alles vorbereitet zu sein. Eine Rute, die delikat und gleichzeitig weit werfen kann, wenn ich es für “nötig” erachtete, musste her. Und warum? Heute muss ich lächeln, wenn ich daran denke. Es ist wirklich schwer, mit alten Gewohnheiten zu brechen.
Was ist jetzt anders?
Begrenzte Reichweite. Dieser Nachteil ist nach kurzer Zeit keiner mehr. Ich schränke die Reichweite sogar noch zusätzlich ein, um mit der Rute die ganze Schnur vom Wasser zu halten. Die meisten Fische, welche ich bisher in Ufernähe verscheucht hatte, könnte ich jetzt fangen. Durch die Nähe zum Fisch beobachte ich besser und kann mir meine “Beute” fast aussuchen. Ich sehe die Fliege auf ihrem Weg zum Fisch, kann sie gut führen, damit sie natürlich abtreibt.
Nur noch eine kleine Fliegenbox mit einer sehr übersichtlichen Anzahl an Fliegen. Einige einfache Nassfliegen in zwei bis drei Größen (dunkel, mittel und hell sowie weiche und steife Hecheln für unterschiedliche Anwendungsfälle).
Weniger Ausrüstung. Eine Rute mit passender Schnur (etwa so lang wie die Rute), eine Spule Tippet, ein Kescher. Dazu etwas Komfort (Sitzkissen für die Pause, ein Getränk, einen Snack).
Systematische Fischerei mit dem Hauptaugenmerk auf Präzision. Wenige, aber präzise Würfe pro Spot. Exakte Präsentation und Führung der Fliege in der gewünschten Art und Weise. Ausgezeichnete Biss-Erkennung, auch bei “unsichtbaren“ Fischen. Sofortige Reaktionsmöglichkeit – “schnell, aber nicht zu schnell!”
Mittlerweile traue ich mich auch ins “Unterholz”. Licht und Schatten. Spots erkennen (und auch nutzen!).
Was wünsche ich mir für die Zukunft?
Ich wünsche mir etwas mehr Akzeptanz gegenüber Leuten, die nicht in die gewohnten Normen passen. Denn: Nur, wenn man etwas nicht macht, muss das nicht heißen, dass man es nicht kann! Ich wünsche mir ein gesundes Maß an Neugier und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen oder wiederentdeckten Methoden. Unhöflichkeiten, die gelegentlich sogar publiziert werden, dürfen gerne unterbleiben. Ich wünsche mir einen fairen und kameradschaftlichen Umgang untereinander, damit wir auch in Zukunft unter Freunden an vielen schönen Gewässern mit Freude unserem geliebten Angelsport nachgehen dürfen.
Petri Heil!
euer Eberhard Scheibe – der Tenkara Ebs