Nehmen wir einen kleinen Salmonidenfluß als Beispiel. Es kommen Forellen und Äschen vor. Zwei Fischarten, die unterschiedliche Anforderungen an Futter und Standplatz stellen. In einem Fließwasser transportiert die Strömung das Futter und lässt es den Fischen in unterschiedlichen Tiefen und Geschwindigkeiten zutreiben. Das sollte man beachten, um einen guten Angelplatz zu finden.
Hier ist ein Überblick über häufig anzutreffenden Strömungsverhältnisse, deren Eigenarten und mögliche Standorte. Die ermittelten Standplätze unserer Zielfische nutzen uns wenig, wenn wir nicht wissen, wie wir dort etwas fangen. Wir wollen diese Standplätze ebenfalls angeltechnisch betrachten. Im Einzelnen beziehe ich mich hier auf das Fischen mit der Fliege, da ich mit dieser Methode meine persönlichen Erfahrungen gesammelt habe. Beim Fischen mit der Spinnrute sind die erwähnten Herangehensweisen mit gewissen Einschränkungen ebenfalls anwendbar.
A) Wo werfe ich hin?
B) Von welcher Stelle aus werfe ich?
C) Welche Technik oder Taktik wende ich an?
Auch wenn ich es nicht jedes Mal erwähne, empfehle ich generell möglichst stromauf und wann immer es möglich ist, vom Ufer aus zu fischen.
1. Ruhige und gleichmäßige Strömung
Hier findest du annähernd gleichmäßige Wassertiefe und Untergrund, wenige Versteckmöglichkeiten, außer einige Steine und ein paar Stellen im Uferbereich. Die vorherrschen Arten sind Freiwasserfische. Als Beispiel nenne ich Äsche und Regenbogenforelle. Einzelne Bachforellen leben in Verstecken am Ufer oder in der Nähe von Hindernissen.
Du befindest dich auf dem Präsentierteller! Es finden sich relativ wenige Versteckmöglichkeiten für Fisch und (!) Fischer. Solche Abschnitte möglichst stromauf befischen. Der Fisch bemerkt dich etwas später und wenn du im Wasser stehst, werden aufgewühlte Sedimente nicht über den Fisch gespült. Langsam und mit Bedacht bewegen!
2. Schnelle und gleichmäßige Strömung
Manchmal gibt es Abschnitte, die über weitere Strecken gleichmäßig und teilweise sehr zügig dahinfließen. Es scheint weit und breit kein Fisch zu sein. Aber so mancher größere Stein kann die Strömung derart verändern, dass Gegensätze erkennbar werden. Auf dem folgenden Bild ist eine sehr eng begrenzte Stelle hinter einem Stein zu sehen. Dort fließt das Wasser viel langsamer und wird meist nach oben verwirbelt. Ein sogenannter Upwelling-Point. An so einem Platz ist das Futter konzentriert und es ist sehr wahrscheinlich, dort einen Fisch zu finden.
An solchen Stellen zuerst die voraussichtliche Strömungsrichtung der stilleren Stelle ermitteln. Der Fisch kann hier nämlich auch mit dem Kopf in Richtung der Hauptströmung stehen! Ich empfehle hier so zu werfen, dass die Fliege auf den Fisch zutreibt.
3. Turbulente Strömung
Hier ist es laut und dunstig. Das Wasser strömt schnell über Felsen und Steine. Man findet tiefe und flache Plätze. In ruhigeren “Strömungstaschen” versteckt sich der eine oder andere Fisch. Das ist ein Streckenabschnitt, an dem sich die Forelle wohlfühlt. Die Bachforelle ist der vorherrschende Fisch. Vereinzelte andere Arten findet man an den Grenzen zu ruhigeren Abschnitten. Du fängst auch mal einen im Schnellwasser, aber meist nicht.
Auch an solchen Wasserabschnitten musst du dich möglichst gut vor dem Fisch verstecken. Die Gegebenheiten verlangen kurze und präzise Würfe. Kurze und saubere Driften bzw. Führungen des Köders. Mit einer Fliege würde ich maximal 3 Würfe bei 3-4 Sekunden Drift pro angezeichneten Spot machen. Hier ist Treffsicherheit gefragt. Ein einziger Fehlwurf, der dann womöglich noch zu einem Hänger führt und die Stelle ist vorerst verdorben.
4. Gemischte Wasserverhältnisse
Tiefes und flaches sowie glattes und turbulentes Wasser wechseln sich ab. Die Strömungsverhältnisse wechseln ständig. Dort ist es meist schwer, mögliche Standorte auszumachen. Dort den Köder gut zu präsentieren, ist leider noch schwerer. Hindernisse, teilweise winzige Stellen, die du treffen können solltest, machen es auch nicht leichter. Wenn man irgendwo hängen bleibt, ist es meist vorbei. Hier zeigt es sich, ob du die Winterzeit genutzt hast, um das Zielen und Treffen fleißig zu üben.
Tarnung und Geschick beim Umgang mit deinem Gerät sind hier die wichtigsten Punkte. Stromauf und stromab sind mögliche Taktiken. Einige Stellen kannst du einfach nicht von unten erreichen, ohne Schaden zu machen. Dabei solltest du systematisch vorgehen, damit du keinen Fisch überwirfst. Erneut wenige, kurze und genaue Würfe. In den kleinen Stellen stehen nie viele Fische. Nach maximal drei kurzen Driften kannst du zum nächsten Spot wechseln. Ein Fisch am Haken bringt meist viel Unruhe. Darum ist es an kleinen Gewässern oft besser, auch nach einem gefangenen Fisch den Platz zu wechseln.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar kurze Worte über das Fress- und Standortverhalten der Forelle verlieren. Die Forelle liebt schnelles Wasser und Verstecke am Ufer unter Wurzeln und Sträuchern, die ins Wasser reichen. Zum Fressen mag sie es lieber etwas ruhiger. Das heißt sie versucht ihre Beute möglichst ohne große Mühe zu erhaschen. Kommt ein Futtertier oder ein Köder zu schnell daher, werden sie häufig ignoriert. Daher solltet ihr euren Köder dort servieren, wo der Fisch wenig Energie aufwenden muss, um zu fressen. Probiert es aus.
Mein Fazit: Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass ich empfehle, nur wenige gut platzierte Würfe pro Spot mit kurzen Driften zu machen. Ein aktiv fressender Fisch nimmt eine gut präsentierte Fliege oft sofort. Und das meist innerhalb 3-4 Sekunden! Die Faustregel ist: 3-3-Next. Drei Würfe pro Spot – ca. 3 Sekunden Drift – nächster Spot.
In diesem Beitrag habe ich lediglich einige Beispiele gezeigt und kommentiert. Probiere zuerst die Stellen, welche du sicher ansprechen kannst. Später, wenn du erste Erfahrungen gesammelt hast, probiere es dort, wo die “Experten” vorüber gehen. Du wirst staunen, wo überall ein guter Fisch zu finden ist. So kannst du eigene Erfahrungen sammeln und deinen eigenen Weg zum Erfolg am Wasser finden.
Ich wünsche Euch viel Erfolg.
Euer Eberhard Scheibe – der Tenkara Ebs
2 Gedanken zu „“Lesen” eines Fließgewässers – wo sind mögliche Standorte und wie beangelt man diese?“
Das Betrachten deiner Bilder mit den markierten Spots erinnert mich ans Lesen und Schreiben lernen in der Grundschule. Da merke ich, dass ich mich bei turbulenter Strömung oder gemischten Verhältnissen bisher nur auf die Hälfte der Hotspots konzentrierte. Vielen Dank für die Nachhilfe. 🙂
Hallo Roland,
ich hoffe das hilft ein wenig. Diese Spots sind relativ gut und sicher zu erkennen. Nach etwas Training geht das immer besser. Aber ich kann Dich trösten, langweilig wird dieser Job nicht. 😉