Das “Geheimnis” meiner Fliegenauswahl

Welche Fliege binde ich ans Vorfach? Ich verrate euch mein Geheimnis: Die Fliege allein fängt keinen Fisch! Früher hatte ich zwei bis drei (!) Fliegendosen in meiner Weste. Heute beschränkt sich meine Fliegenwahl auf ein Minimum.

Hier ist ein Blick in meine aktuelle “Fliegendose” – eher ein kleines Etui…

  • eine Handvoll Hechelnassfliegen ohne Flügel in den Größen 10-14, die Hecheln sind weich (Rebhuhn oder Fasan) bzw. steif (sogenannte Trockenhecheln), die Körper sind hell bzw. dunkel (konkret: hellbraun, grau oder schwarz-braun)
  • etwa 5-6 Hechelnassfliegen ohne Flügel mit einer kleinen Messingperle, die Größe ist 12, weitere Merkmale wie bei den unbeschwerten Mustern

Das war’s! Damit angle ich ganzjährig in den meisten Gewässern auf Salmoniden und Weißfische.

Einige “Specials” habe ich gelegentlich dabei. Wenn ich an einem unbekannten Gewässer unterwegs bin oder bei Hitze, Kälte und oder Wind, gewähren mir diese Muster einige zusätzliche Optionen:

  • 5-6 Moosgummikäfer und Ameisen in Größe 12-14
  • 5-6 kleine Hasen-Ohr-Nymphen mit Messingperle in Größe 14-16

Ein anderer Fliegenfischer beobachtet mich und fragt:
“Ich habe gesehen, dass du einige Fische gefangen hast – welche Fliege nimmst du gerade?”
Früher war es schwer für mich, diese Frage zu beantworten, denn meine Fliegen haben keine Namen. Daher zeige ich sie ihm gerne. Ich weiß, dass sich daraufhin meist noch weitere Fragen nach dem “Wann, Wie und Wo” ergeben. Manchmal zeigt man mir auch mal eine “richtige” Fliegendose. Hunderte schöne Fliegen! Aber fängt man damit auch wirklich besser? Zweifel zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Meine supereinfachen und auch nicht gerade schönen Nassfliegen – sind sie besser?

Meine persönliche Antwort auf diese Fragen ist: “Nein!” Die Fliege allein fängt keinen Fisch! Das ” Wann, Wie und Wo? ” ist meist entscheidender.

Meine persönlichen Auswahlkriterien sind einfach:

  • schnelles, tiefes und trübes Wasser: größere Muster
  • ruhiges, flaches und klares Wasser: kleinere Muster
  • schnelles, turbulentes Wasser: steifere Hecheln
  • ruhiges, gleichmäßiges Wasser: weichere Hecheln
  • ich beginne immer (!) mit einer dunklen Fliege, meist in Gr. 12
Eine einfache 12er schwarze Fliege dran und los geht’s!

Bei praller Sonne und klaren und flachen Wasserverhältnissen versuche ich auch gelegentlich eine helle Fliege, wenn die dunkle “verweigert” wird. Das bedeutet aber nicht, dass die dunkle Fliege nicht funktioniert. Der Wechsel zur hellen Fliege ist lediglich ein Experiment.

Meiner Meinung nach gibt es drei entscheidende Fakten zur Fliegenwahl:

  • die Sichtbarkeit der Fliege für den Fisch und (!) den Angler
  • die Größe der vorhandenen Insekten
  • eine mögliche Scheuch-Wirkung durch zu starken Farbkontrast oder falsche Fliegengröße

Manchmal sind die Zusammenhänge zwischen diesen Fakten einige Überlegungen wert. Die Art, die Farbe und die Form der Fliege sind für mich nicht so entscheidend wie ihre Größe. Beispiel: Ein ausgemachter Fisch verweigert die momentan gewählte Fliege. Sind Fliegengröße, Präsentation und Taktik in Ordnung? Wenn ja, suche ich mir mit der gleichen Fliege einen anderen Fisch!

Manchmal ist ein heller Körper scheinbar besser.

Der große Meister der Fliegenfischerei Charles Ritz sagte einmal sinngemäß, dass der Erfolg beim Fliegenfischen zum Großteil (80 – 90%) in den Händen des Werfers liegt. Dessen Geschick ermöglicht eine korrekte Präsentation seiner Fliege. Erst, wenn an der Präsentation alles stimmt, kann man Experimente an den verbliebenen 10 – 20% (der Fliege) in Erwägung ziehen…

Mein virtueller Tenkara-Lehrer aus Japan sagt dazu: “Jede Fliege ist okay, wenn du ihr Potenzial verstehst und in der Lage bist, es zu nutzen.” Dein Verhalten am Wasser, die Art und Weise, wie du dich dort bewegst und deine persönliche Wahl der Angelstelle, neben deiner Taktik mit der optimalen Methode “deinen” Fisch zum Anbiss zu verleiten – dies bestimmt über kurz oder lang deinen Erfolg beim Fischen.

Wenn ich mit euch hier einige meiner Erfahrungen teile, erscheint manches eigenartig. Hier bezieht sich vieles nur auf ganz einfache Nassfliegen. Ich möchte euch damit aufmerksam machen, dass man (fast) jede Fliege erfolgreich einsetzen kann. Was ist mit Trockenfliegen, Nymphen und Streamern? Es gibt Spezialisten, die sich komplett auf die eine oder andere Art dieser Fliegen und deren Anwendung konzentrieren. Einen wirklichen Freund der Nassfliege (die “Urfliege”) muss man allerdings lange suchen. Jede dieser Spezialtechniken hat ihre Reize, Vor- und Nachteile. Um es vorweg zu nehmen, ich bin kein Purist, der nur mit Nassfliegen angelt.

Ich verwende bewusst sehr einfache Fliegenmuster, damit ich mich auf das für mich Wesentliche konzentrieren kann. Nämlich mein eigenes Verhalten am Wasser, die Präsentation der Fliege und das Erkennen der im Moment erfolgversprechenden Technik. Ob die Fliege schwimmt, oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Ich möchte mit dem Inhalt meiner kleinen Fliegenbox an einem beliebigen Gewässer Fische fangen.

Wenn die Fische die angebotene Fliege scheinbar nicht nehmen wollen, muss eine Lösung gefunden werden. Das ständige Wechseln der Fliegen schafft leider keine Abhilfe.

Mein Tipp: Nicht nur der Fliege die Schuld geben, wenn es scheinbar nicht geht.

Ich hoffe, diese Zeilen lassen euch etwas über das Thema Fliegenauswahl nachdenken. Sollten sich Fragen ergeben, schreibt mir oder sprecht mich an.

euer Eberhard Scheibe – der Tenkara Ebs

3 Gedanken zu „Das “Geheimnis” meiner Fliegenauswahl

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